Rezension: Andreas Barth: Datenbanken in den Naturwissenschaften

Erschienen in: Auskunft 13(1993)199-200
Andreas Barth: Datenbanken in den Naturwissenschaften : eine Einfuehrung in den Umgang mit Online-Datenbanken. Weinheim u.a.: VCH, 1992. - 450 S.: DM 148,-

"Eine entsprechend programmierte Elektronische Datenverarbeitungsanlage ... sei naemlich imstande, einen Roman in wenigen Minuten zu lesen und dabei saemtliche im Text vorkommenden Woerter gestaffelt nach ihrer Haeufigkeit aufzulisten. 'Damit verfuege ich gleich ueber eine abgeschlossene Lektuere ', sagte Lotaria, 'die mir enorm viel Zeit erspart. Denn was ist die Lektuere eines Textes anderes als die Registration bestimmter thematischer Leitmotive, bestimmter formaler und signifikanter Patterns ?" (S. 15)
Auch dieses Zitat aus einem Werk von I. Calvino (Wenn ein Reisender in einer Winternacht. Muenchen: Hanser, 1983) findet sich im zu besprechenden Werk. Ganz so einfach aber sollte man sich die Lektuere dieses Buches dann doch nicht machen. Trotzdem wuerden die folgenden Woerter in einer Liste der haeufigsten Begriffe, die im Buch enthalten sind, bestimmt ganz oben stehen: Datenbank(en), Online, Chemie.

Neben "Einleitung" und "Ausblick auf zukuenftige Entwicklungen" besteht das Buch aus zwei sehr unterschiedlichen Teilen:
Teil 1 bietet eine Einfuehrung in Theorie und Aufbau von Datenbanken. Datenorganisation, Datentypen und die Verarbeitung von Abfragen werden dargestellt. Der Praktiker hat hier die Gelegenheit nachzulesen, was er "eigentlich" veranlasst, wenn er eine Online-Datenbankrecherche durchfuehrt, und welche Voraussetzungen und Vorarbeiten vor seiner Recherche vom Anbieter gemacht werden muessen.

Teil 2 gibt einen umfassenden Einblick in die Praxis der Online-Recherche, wobei alle Typen von Datenbanken, bibliographische und Volltext-, Patent-, Substanz- und Sequenz- sowie auch numerische und topologische Datenbanken, detailliert beschrieben werden. Schwerpunkt innerhalb der erwaehnten naturwissenschaftlichen Datenbanken sind eindeutig chemisch orientierte, womit auch das Auftauchen des letzten Begriffes der obigen Liste seine Erklaerung findet. Mit Fug und Recht koennte man den zweiten Teil als "'Literatur'-fuehrer zur Chemie im Online-Zeitalter" bezeichnen. Eine Verknuepfung beider Teile ergibt sich aus der Erkenntnis, dass erst die Kenntnis der inneren Struktur einer Datenbank eine erfolgversprechende Suche der gewuenschten Information ermoeglicht. Zahlreiche Beispiele belegen dies. Auch wer als Praktiker den etwas theoretischen und trockenen Teil erstmal ueberschlagen hat, wird bei der Lektuere des zweiten Teils immer wieder interessiert mit vielen Aha-Effekten zurueckschlagen.

Jeder der vier Teile des Buches wird eingeleitet durch einen literarischen Text, aus denen auch das einleitende Zitat stammt. Diese amuesanten kurzen Abschnitte weisen auf Probleme hin, die mit der Vermehrung der Information und dem Einsatz von Computern zusammenhaengen.

Der Autor ist Mitarbeiter am Fachinformationszentrum Karlsruhe und war an der Entwicklung der deutschen, aber auch international fuehrenden chemischen Faktendatenbanken Gmelin und Beilstein beteiligt. Dies erklaert die fuer den Rezensenten erfreuliche Chemielastigkeit aber auch die eindeutige Orientierung am Datenbankanbieter STN und dessen Retrievalsprache Messenger.

Das Werk wendet sich an alle an Online-Datenbanken interessierten Leser und kann im deutschsprachigen Bereich als "Online-Ergaenzung" zum 1982 erschienenen letzten Chemie-Literaturfuehrer von Michael Muecke (Die chemische Literatur. Weinheim: Verl. Chemie) angesehen werden. Es sollte an keinem Schreibtisch bzw. neben keinem PC eines Informations- vermittlers fehlen.

Thomas Hapke


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