06.04.2023

Interview mit Prof. Martin Kliesch: Quantencomputing

Ein Gespräch über Qubits, Wellen und die Leidenschaft für das Forschungsfeld und Möglichkeiten künftiger Anwendungen

Ein Quantencomputer wird gern als PC mit Superantrieb beschrieben, der unvorstellbar viele Rechenprozesse parallel ausführen kann. Können Sie erklären, wie er das macht?

Eigentlich braucht es nur drei Zutaten, um zu verstehen, wie ein Quantencomputer funktioniert. Man benötigt Qubits, Quantengatter und muss am Ende die Rechenvorgänge auslesen können.

Das müssen Sie genauer erklären.

Traditionell wird mit Bits gerechnet. Ein Bit ist ein System, das sich in zwei unterschiedlichen Zuständen befinden kann, meist durch 0 und 1 bezeichnet. Das ist die kleinste übliche Informationseinheit. Im Quantencomputing rechnet man mit Qubits anstelle von Bits. Hier können die klassischen Zustände 0 und 1 überlagert werden. Manchmal wird gesagt, dass sich ein Qubit dann gleichzeitig in beiden Zuständen befindet. Das ist etwas unpräzise. Genauer gesagt ist es so, wie beispielsweise eine Gitarrensaite gleichzeitig in mehreren bestimmten Frequenzen schwingen kann, die sich einfach überlagern.

Wie funktioniert denn die Hardware in diesem Fall?

Der Zuse Z3, der erste klassische Computer, den Konrad Zuse 1938 in Berlin konstruiert hat, basierte auf elektrischen Relais. Damals war nicht abzusehen, dass wir irgendwann einmal mit Mikrochips arbeiten. So ist es beim Quantencomputing auch. Wir können noch nicht sagen, welche Plattform sich durchsetzen wird. Es gibt Modelle, die mit quantenmechanischen elektrischen Strömen arbeiten, sogenannte „superconducting Qubits“, daneben existieren Ionenfallencomputer, in denen Ionen mit elektromagnetischen Feldern gefangen sind und manipuliert werden, und es gibt noch eine Reihe weiterer Plattformen.

Bei welcher Temperatur arbeitet ein Quantencomputer?

Ionenfallen funktionieren in einem Vakuum und werden oft mit gasförmigem Helium gekühlt. Aber es gibt noch andere Ansätze, bei denen die Quantencomputer praktisch bis auf den absoluten Nullpunkt von circa -273 Grad Celsius gekühlt werden müssen. Wenn ich Kollegen besuche, die Experimente mit Ionenfallen machen, darf ich zwar nichts anfassen – als Theoretiker kenne ich mich mit der Hardware nicht im Detail aus –, aber es ist spannend, die Entwicklung live mitzuverfolgen.

Die Hoffnung ist, mit Quantencomputing die digitale Transformation zu beschleunigen. Wie kann das aussehen?

Die Erwartung, dass Quantencomputer alle möglichen Probleme lösen, die herkömmliche Rechner nicht schaffen, muss ich klar enttäuschen. Quantencomputing kann nur für bestimmte Rechnungen einen potenziellen „Quantum-speed-up“ liefern. Auch die Hardwareentwicklung befindet sich noch in einem Stadium, in dem Quantencomputing keinen praktischen Vorteil gegenüber herkömmlichem Computing hat. Die ersten echten Quantenrechnungen mit großem praktischen Anwendungspotenzial erwarte ich in der Quantenchemie und der Materialforschung.

Was begeistert Sie persönlich an Ihrem Forschungsfeld?

Seit meinem Studium bin ich von der Schönheit der Mathematik fasziniert, die häufig von physikalischen Einsichten inspiriert wird. So bin ich mit der Quanteninformationstheorie konfrontiert worden. Sie hilft, physikalische Konzepte stark zu abstrahieren und auf ihre wichtigsten Eigenschaften zu reduzieren. Dieses Feld bildet auch die Grundlage für Quantencomputing. Am meisten begeistert es mich, wenn man es mithilfe eleganter Mathematik schafft, komplexe und praktisch relevante Probleme zu lösen.

Und wie möchten Sie die Professur für sich ausgestalten?

Mein bisheriges Forschungsprogramm wird durch die Zusammenarbeit mit Fujitsu und den Hamburger Kolleg*innen noch einmal deutlich verbreitert. Ein Ziel ist, mehr Anwendungsgebiete für das Quantencomputing zu finden, zu verstehen, welche Art von Rechnungen sich dafür eignen. Unter diesem Blickwinkel hoffe ich, mit meiner Arbeitsgruppe die entscheidende theoretische Forschung im Raum Hamburg zu erbringen.

Nach dem Studium der Physik, Mathematik und der Promotion fiel es dem gebürtigen Berliner Martin Kliesch schwer, seine Heimatstadt gegen Düsseldorf einzutauschen. Er hat an der dortigen Universität als Leiter der Nachwuchsgruppe „Quantentechnologie“ Theoretische Physik gelehrt. In Hamburg gefällt es dem zweifachen Familienvater sehr gut. Er trat die Stiftungsprofessur für Quantum-Inspired und Quantum Optimization im November 2022 an. In seiner Freizeit reist der leidenschaftliche Sportkletterer gerne in die Fränkische Schweiz.

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Das ganze Interview lesen Sie im aktuellen spektrum.

Future Lecture an der TU Hamburg zum Thema Quantencomputing am 12. April 2023. Professor Martin Kliesch hält mit der Future Lecture gleichzeitig seine Antrittsvorlesung.